Armut in Bad Münder hat vielfältige Gesichter. Besonders prägnant stellt sich die Not unter Kindern dar, die allerdings immer wieder spontane Solidarität vor Ort erfahren. Dies ist ein Ergebnis der Podiumsdiskussion des SPD-Ortsvereins Bad Münder-Hachmühlen-Brullsen zum Thema „Armut in Bad Münder“. Der Ortsvereinsvorsitzende Wilfried Hartmann lobte vor allem die ruhige und sachliche Atmosphäre vor rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörern in der Aula der Grundschule.

Er habe einen größeren Horizont gewonnen. Hartmann begrüßte einige Gäste besonders: Die Landtagsabgeordneten Dirk Adomat (SPD), Petra Joumaah (CDU) und Uli Watermann (SPD), der eine Grundsicherung für Kinder forderte, sowie Bürgermeister Hartmut Büttner und Kreistags- und Ratsmitglieder.

In seinem Impulsreferat definierte Lars Niggemeyer vom DGB-Landesbezirk Niedersachsen-Sachsen-Anhalt den Begriff Armut: Danach verfügt ein Alleinstehender über monatlich höchstens 942 Euro, ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren über 1978 Euro. Dabei handelt es sich um 60 Prozent des mittleren Einkommens .Die höchste Armutsgefährdung besteht bei Erwerbslosen und Alleinerziehenden; es ist eine starke Zunahme bei Rentnern zu beobachten. In Bad Münder erhalten 1577 Menschen die soziale Mindestsicherung, das ist fast jeder Zehnte! Als Ursache nannte Niggemeyer vor allem fehlende Tarifbindungen, Teilzeit- und Leiharbeit. Diese prekären Beschäftigungen müssten in Zukunft zurückgedrängt werden. „Wir brauchen einen öffentlichen Beschäftigungssektor – dafür ist Geld da - und die stärkere Besteuerung von hohen Vermögen!“, forderte der DGB-Vertreter. Er erwarte zudem einen Kurswechsel beim Arbeitslosengeld I und Hartz IV.

Unter der Moderation von Sabine Süpke, Leiterin des Wilhelm-Gefeller-Bildungszentrums der IG BCE und dem ehemaligen HAZ-Redakteur Dieter Klocke tauschten dann die Mitglieder auf dem Podium die Meinungen aus.

Grundschulrektor Christoph Schieb und Malihe Papastefanou, Direktorin der KGS, berichteten unisono von sichtbarer Not unter ihren Schülern. Allein beim Pausenbrot gebe es qualitative und quantitative Abstufungen. Diese Unterschiede treten auch bei der Kleidung und der Finanzierung von Klassenfahrten zutage. In den meisten Fällen helfen Eltern, Lehrer und Mitschüler „geräuscharm und solidarisch“. Außerdem lobten sie die enge Vernetzung vor Ort: „Hier kennt fast jeder jeden.“

Die Tafelkunden, so der Vorsitzende Dieter Hainer, seien ebenfalls von Armut bedroht. „Armut ist bei uns jeden Tag sichtbar. Die Kinder leiden an meisten darunter, weil es nicht gerecht zugeht.“ Da bietet die Tafel beispielsweise Schwimmkurse und Fahrten in Freizeitparks an. Christan Ranke von der AWO-Schuldnerberatung ging auf die häufigsten Schuldenfallen (Werbung, Ratenzahlungen) ein. Die Hauptgruppe bildeten die 35-40jährigen und Arbeitslose. Die Betroffenen müssten ihr Verhalten ändern und Einsichten gewinnen. Ein entsprechender kontinuierlicher Unterricht in den Schulen wäre hilfreich. Pastor Dietmar Adler mahnte die Anwesenden als Sprecher der AIBM und Diakonie: „Vergesst die Armen nicht!“ Für die Kirche sei dies täglich ein Thema und man könne kurzfristig aus Diakoniesammlungen helfen.

In der allgemeinen Diskussion ging es um aufgehobene Tarifbindungen, überbordende Bürokratie und die zu große Spanne zwischen arm und reich.

Am Schluss äußerten die Podiumsteilnehmer Wünsche und Forderungen an die Verantwortlichen. Hier ein Auszug daraus:

  • Mehr Personal für die Schulsozialarbeit, pädagogische Mitarbeit und Verwaltung
  • Kostenloses Schulessen und Schulobst
  • Bildungsbiografien von Langzeitarbeitslosen und deren Kindern brechen
  • Bürokratieabbau
  • Hilfen für Alleinerziehende
  • Diskussion um Insolvenzen versachlichen
  • Finanzhilfen für die AIBM nicht kürzen
  • Befristete Arbeitsverträge sind zu kurz angelegt
  • Solidarischere Gesellschaft
  • Verstärkte Betreuung der Ehrenamtlichen
  • Anhebung des Mindestlohnes auf ca. 12 EURO
  • Eine gerechtere Wirtschafts- und Steuerpolitik …

Der SPD-Vorstand wird die Vielzahl der Forderungen nunmehr sichten und abwägen. Danach sollen daraus entsprechende Anträge an die zuständigen Gremien folgen.

Siegfried Schönfeld